21.7.1993 – Veit Feger – Schwäbische Zeitung Ehingen
Aus einer Schilderung der Ehinger Partnerstadt von anno 1881
Die Bürger von Esztergom sind stolz auf die Geschichte ihrer Stadt. Einen Wunsch nach mehr Kenntnis über die Geschichte der Stadt möchte unser heutiger Text erfüllen. Die Angaben stammen aus einer Zeit, in der infolge der Zugehörigkeit zu Österreich-Ungarn die Nähe der Stadt zum deutschen Sprach- und Kulturkreis deutlicher war; in Deutschland war Esztergom damals unter dem alten Namen Gran geläufig. – Die Angaben im Folgenden stammen aus Alexander Heksch, Die Donau von ihrem Ursprung bis an die Mündung, Wien-Pest-Leipzig 1881 (Pest ist der alte Name für Budapest; der Stadtteil Pest auf der einen Seite der Donau war der zunächst bedeutendere).
Funde schon aus römischer Zeit
Entlang der Donau legten die Römer in den ersten Jahrhunderten nach Christus später bedeutende Siedlungen an; die geographische Bedeutung des Esztergomer Burg-(und heutigen Dom-)Bergs war auch damals schon erkannt; so waren auch im letzten Jahrhundert schon römische Funde „auf dem Boden der alten Burg zu Gran und des ehemaligen Festungsrayons“ gemacht worden.
Geburtsort des ersten christlichen Königs von Ungarn
Esztergom war auch einer der Orte, an denen die Christianisierung der Madjaren begann und wo der (erstmals mit dem lateinischen Namen für König) belegte Fürst dieses Volks getauft wurde. In der Burg von Esztergom wurde als Sohn des ersten getauften madjarischen Fürsten Gejza („Der Sieger“) 979 Vojk geboren, der in der Taufe den Namen Stefan erhielt und später einer der bedeutendsten ungarischen Herrscher wurde. Stefan, seit 997 König und mit einer bayerischen Fürstentochter verheiratet, erbat vom Papst in Rom die Einwilligung zu einer Einteilung seines Reiches in ein Dutzend Bistümer mit Gran/Esztergom als Sitz mit Vorrangstellung (Sitz des „Primas“ von Ungarn). Im Jahr 1000 wurde Stefan in Gran mit der vom Papst übersandten Krone zum ersten (christlich-europäischen) König von Ungarn gekrönt.
Die Kreuzzüge brachten prominenten Besuch nach Esztergom. Der französische König Ludwig VII kam hierher 1147; der Franzose übernahm dabei Taufpatendienste für einen damals geborenen Königssohn. 1173 kamen Herzog Heinrich von Österreich, Schwiegervater von Stefan III, und der Herzog von Sachsen hierher.
Kreuzzug führte Schwabenkaiser Barbarossa auf die Burg
Kaiser Friedrich Barbarossa machte auf seinem Zug nach Palästina im Jahre 1190 Rast in der Burg Gran, bei König Bela III. Er wurde am Schloßthor vom König, seiner Frau, dem demaligen Primas und hohen Adligen empfangen.
Verwüstung durch Mongolen
Im Winter 1242 setzten mongolische Reiter über die gefrorene Donau, erstürmten die befestigte Stadt, mordeten, brandschatzten. Nur die Burg überstand den Angriff. Der damalige Erzbischof der Stadt war der erste, der die römische Kardinalswürde erhielt.
Vor allem die Kirchenfürsten trugen zum weiteren Auf- und Ausbau der Stadt wesentlich bei. Für die Besiedlung wurden auch deutsche Kolonisten angeworben, weshalb die Unterstadt („Wasserstadt“) damals auch die „Deutsche Stadt“ genannt wurde.
Die Schrecken der Türkenzeit
In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts besaß die Stadt eine Sternwarte, Bibliotheken, Kunstgärten und Kunstsammlungen. Die im Jahre 1507 von Kardinal Thomas Bakacs erbaute Kapelle war um die letzte Jahrhundertwende „der einzige Bau, der aus jenen schönen Zeiten übrig blieb – alles Andere ging während der Türkenkriege zu Grunde.“ Im Jahre 1526 waren nämlich die Ungarn in der berühmten Schlacht von Mohacs den osmanischen Soldaten unterlegen. Der Autor von 1881 meinte, daß sich das Land bis zum damaligen Tag nicht von den Schäden der türkischen Eroberung erholt habe. – Esztergom war damals auch von ausländischen (spanischen, italienischen, deutschen) Söldnern verteidigt worden. Sultan Suleiman errichtete zwecks Eroberung Artilleriestellungen auf den Höhen umliegender Berge. Die Offiziere Liscano und Salamanca ließen sich vom Sultan bestechen und übergaben die noch haltbare Burg; die damalige Basilika wurde in eine Moschee umgewandelt. – 1595 wurde Esztergom zurückerobert. Beteiligt waren hier deutsche und italienische Soldaten. 1605 wurde die Stadt wieder von Osmanen erobert, 1683 wurde es von polnischen Soldaten zurückerobert.
Wegen der großen Zerstörungen kehrte der ungarische Erzbischof erst im Jahre 1767 hierher zurück, und es dauerte Jahrzehnte, bis man an den erneuten Bau einer großen Zentralkirche ging. Nach vielen Jahren der Planung wurde 1822 der Grundstein für eine neue Basilika gelegt. Unterbrochen durch die nationale Aufstandsbewegung 1848 und die folgende Reaktion dauerte es bis zum Jahr 1856, daß die Basilika in Gegenwart des ungarischen Königs (zugleich des Kaisers von Österreich) eingeweiht werden konnte. Dabei wurde eine Messe von Liszt erstmals aufgeführt. Der Kuppelbau hat der Stadt den Namen „Ungarisches Rom“ eingetragen.
Missa solemnis von Franz Liszt zur Einweihung der Basilika in Gran 1856