SÜDWEST PRESSE – Ehinger Tageblatt – Julia-Maria Bammes – 8.1.2024
Seit 30 Jahren ist Ehingen über eine Städtepartnerschaft mit Esztergom verbunden. Der Partnerschaftsverein könnte jüngere Mitglieder vertragen. Es gibt auch wirtschaftliche Beziehungen zur Region.
Von Ehingen nach Esztergom sind es 836 Kilometer. So steht es auf dem Schild, das seit vielen Jahren einen Platz vor der Lindenhalle hat. Das Schild erinnert an Ehingens einzige Städtepartnerschaft mit der ungarischen einstigen Königsstadt Esztergom. 2023 gab es einen runden Geburtstag zu feiern: Die Städtepartnerschaft besteht seit 30 Jahren. So sei das Jahr etwas turbulent gewesen, sagt Rosi Schaupp, die Vorsitzende des Partnerschaftsvereins Ehingen-Esztergom.
Anläßlich der seit drei Jahrzehnten andauernden Verbindung wurde eine Delegation aus Esztergom nach Ehingen eingeladen – zum Großen Zapfenstreich am Vorabend von Fronleichnam. Der Besuch musste organisiert, ein Programm zusammengestellt werden. „Das war eine Menge an Planung“, erzählt Rosi Schaupp.
Erschwerend kommt hinzu, dass der gut 160 Mitglieder zählende Partnerschaftsverein wie viele andere Vereine vor dem Problem steht, dass die Mitglieder immer älter werden. Es gebe ein paar junge Leute, doch diejenigen, die vor 30 Jahren den Verein mitgegründet haben, sind heute 70, 80 oder noch älter. Manches lasse sich dann nicht mehr so einfach bewerkstelligen, etwa der Einsatz bei der Ehinger Kirbe. Da habe der Partnerschaftsverein in diesem Jahr 70 Liter Gulaschsuppe verkauft – dahinter steckt viel Arbeit, sagt Schaupp.
„Ungarn hat eine sehr große Geschichte. Ungarn ist so ein lebhaftes Land.“
Rosi Schaupp
Partnerschaftsverein
In den vergangenen zwei, drei Jahren sei der Kontakt nach Esztergom wieder intensiver geworden, erzählt die Vorsitzende. In Esztergom selbst soll nun, wie auch in Ehingen, demnächst ein Partnerschaftsverein gegründet werden. Etwa 40 Engagierte gebe es dort. Zwei ungarische Paare waren jüngst zu Gast in Ehingen und verkauften auf dem Weihnachtsmarkt in der Vereinshütte Räucherwurst und Honig.
Eine Gruppe aus Ehingen war im Sommer in Esztergom – anlässlich der dortigen Feiern zum 30-Jährigen der Städtepartnerschaft. Mit dabei war auch Oberbürgermeister Alexander Baumann, der kraft Amtes Mitglied im Vorstand des Vereins sei.
Angebahnt hatte die Städtepartnerschaft einst Wolf Brzoska, auf solch einen Zusammenschluss vom damaligen Oberbürgermeister Johann Krieger angesprochen. Es habe dann einige Zeit gedauert, bis einige Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erste feste städtepartnerschaftliche Bande geknüpft werden konnten.
165
Menschen aus Ehingen sind laut Stadtverwaltung im Besitz eines ungarischen Passes. Im Partnerschaftsverein sind aber nur wenige der Ungarn oder Ungarinnen engagiert.
Die Politik spielt auch heute eine Rolle, unter Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán sind Korruption und Vetternwirtschaft seit Jahren ein Problem. Kein leichtes Feld. „Da hat es Orbán-Fans und Nicht-Orbán-Fans“, erzählt Rosi Schaupp von ihren Erfahrungen. Und: „Man merkt es einfach, dass manches sehr verhalten ist.“ Das Thema Flüchtlinge werde etwa sehr niedrig gehalten, es brauche „sehr viel Fingerspitzengefühl“.
Eben dieses wäre möglicherweise auch bei einem Termin nötig gewesen, zu dem das Büro des CDU-Landtagsabgeordneten Manuel Hagel im Oktober 2023 einlud: Ungarns Außenminister Peter Szijjártó, der wegen seiner Nähe zum Kreml umstritten ist, sollte sich ins Goldene Buch der Stadteintragen. Warum?
Der Besuch wurde kurz darauf wegen wichtiger Termine des Ministers abgesagt, doch nach wie vor fallen die Antworten der Stadt zu diesem Thema auffallend schmal aus. Ein neuer Besuchstermin sei nicht bekannt, heißt es. Wer sich ins Goldene Buch der Stadt einträgt, entscheidet der OB, eine entsprechende Satzung, wie sie etwa andere Kommunen haben, gibt es nicht. Selbst dann entscheide laut Regelung der OB, erläutert Katrin Schrode als Sprecherin der Stadt. Der letzte ausländische Minister, der sich ins Goldene Buch Ehingens eingetragen hat, war Gambias Minister für Information und Kommunikation gewesen, der 2019 zu Gast war.
Das Büro Hagel berichtet auf Nachfrage, dass der Kontakt zu Ungarns Außenminister über den ungarischen Generalkonsul zustande gekommen sei. Wegen der Städtepartnerschaft habe sich ein Empfang angeboten. Bei Bekanntgabe des Termins hatte das Büro allerdings noch nicht auf diesen Grund verwiesen. Hagel sei im steten Austausch mit konsularischen Vertretern, auch mit dem Ungarns. Ein Besuch bei Schwenk Zement in Allmendingen hätte den Termin abrunden sollen.
Belastet mit Sondersteuern
Auch Schwenk hat Beziehungen zu Ungarn: Zusammen mit Heidelberg Materials steht der Zementhersteller hinter der Duna-Dráva Cement Kft. Diese beschäftigt insgesamt rund 600 Mitarbeitende, verteilt auf die Sparten Zement, Beton und Sand und Kies, berichtet Schwenk-Sprecherin Laura Schleicher. An den beiden Zementstandorten Vac und Beremend arbeiten zusammen rund 400 Beschäftigte.
Ausländische Unternehmen in Ungarn sehen sich immer stärker mit Einschränkungen konfrontiert, etwa mit der Belegung von Sondersteuern. Das bestätigt die Schwenk-Sprecherin: „Auch die Duna-Dráva Cement Kft. ist in der Sparte Zement von den Sondersteuern in Ungarn betroffen und dadurch finanziell stark belastet.“
Zurück zum Partnerschaftsverein: Rosi Schaupps konkreter Wunsch für Ehingen ist, dass ein Platz oder eine Straße nach Esztergom benannt werden sollte. Möglicherweise könnte das die Städtepartnerschaft wieder mehr ins Bewusstsein rufen. Denn Begeisterung für Ungarn zu wecken, sei nicht leicht, stellt Schaupp fest. „Ungarn hat eine sehr große Geschichte“, sagt sie, und: „Ungarn ist so ein lebhaftes Land.“
„Verhaltene“ Resonanz bei VHS
Auch die Resonanz auf die Veranstaltungsreihe zum Thema Ungarn, die VHS und teils der Partnerschaftsverein anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft initiiert hatten, fiel mitunter eher verhalten aus. Im Januar findet in der Reihe „Hallo Ungarn“ noch ein Termin statt: Für Donnerstag, 18., ist die Lesung und Gespräch „Die Lichter von Budapest“ von und mit Oliver Diggelmann terminiert (Beginn 19 Uhr, Franziskanerkloster). Diggelmann ist Professor für Völker- und Staatsrecht an der Universität Zürich und darüber hinaus Autor zweier politischer Romane.
In Ehingen leben 165 Menschen mit ungarischem Pass, heißt es aus dem Rathaus, doch die wenigsten Mitglieder des Partnerschaftsvereins sind Ungarn. Sie habe den Eindruck, dass Ungarn, die in der Stadt leben, nicht unbedingt viel mit dem Land zu tun haben wollen, sagt Schaupp.
Dennoch gibt es einige wenige Vereinsmitglieder, die Ungarisch sprechen – eine Sprache, die einzigartig ist und mit nahezu keiner anderen verwandt ist. Sehr viele Leute in Esztergom, die dort in Sachen Städtepartnerschaft engagiert sind, sprächen Deutsch, auch würde Deutsch in Ungarn wieder mehr gelehrt.